Denis Wucherer – Eine Leverkusener Erfolgsgeschichte (2)
Rückkehr in die Wilhelm-Dopatka-Halle
Im Sommer 1998 wechselte Wucherer nach Italien zu Olimpia Mailand („ich wollte meinen Horizont erweitern, die erste Liga Italiens war zum damaligen Zeitpunkt die stärkste in Europa“) und unterschrieb dort einen Zwei-Jahres-Vertrag. Nach den Stationen bei den Varese Roosters (ITA, 2000/01), DJK s.Oliver Würzburg (2001) und den Opel Skyliners Frankfurt (2001/02) bahnte sich der Wechsel zurück nach Leverkusen an.
An das erste Treffen im Jahr 2002 mit den damaligen Leverkusener Verantwortlichen erinnert sich Wucherer noch gut: „Es war schon etwas dubios. Ich traf mich mit Manager Thomas Deuster und Headcoach Heimo Förster in einem Lokal am Flughafen Frankfurt. Wir sprachen über die kommende Saison und über die Rolle, die ich im neuen Team einnehmen sollte. Schnell machten mir die beiden klar, dass sie eine Mannschaft um mich herum aufbauen wollten. Dazu kam, dass Leverkusen mit einem „Deutschen Konzept“ an den Start zu gehen plante. Diese Idee fand ich super, ich war gleich Feuer und Flamme und unterschrieb einen neuen Vertrag.“
Das „Deutsche Dreigestirn“, bestehend aus Demond Greene, Sven Schultze und Denis Wucherer, sowie die starken Importspieler Nate Fox und John Best, ergänzt durch den talentierten Gordon Geib, erreichten 2003 als Achter die Playoffs. Wucherer dominierte in der Saison an der Seite von Best, legte 16,6 Punkte pro Spiel auf und gehörte zu den besten einheimischen Spielern der Liga. In der Endrunde um die Meisterschaft scheiterten die GIANTS in einer heiß umkämpften Serie mit 2:3 im Viertelfinale an den Telekom Baskets Bonn.
Die Spielzeit 2003/04 gestaltete sich dann schwieriger als die vorherige. BAYER musste sich arg strecken, um die Playoffs zu erreichen, die Entscheidung sollte am letzten Spieltag bei der BG Karlsruhe fallen. Die „Giganten“ mussten gewinnen, um das Endrundenticket zu lösen und in der Europahalle entwickelte sich ein unfassbares Offensivspektakel, bei dem Wucherer herausragte: Mit 37 Zählern (14 von 21 aus dem Feld), 13 Rebounds und zehn Assists konnte Denis nicht nur ein „Triple-Double“ einfahren, sondern war auch hauptverantwortlich dafür, dass Leverkusen mit einem 113:106-Sieg als Tabellensiebter in die Playoffs einzog.
Gleich eine Woche später stand die erste Begegnung im Viertelfinale in Berlin an und hier gelang Denis dann etwas Historisches: Bis heute ist er der einzige Spieler der Bundesligageschichte, welchem in zwei aufeinanderfolgenden Partien ein „Triple-Double“ gelang. Nach der Niederlage bei ALBA (86:92) standen 19 Punkte,11 Korbvorlagen und zehn Rebounds auf dem Statistikbogen hinter der Nummer 8. Wucherer weiß, was ihm damals gelungen war, doch er ist auch selbstkritisch: „Früher war die Definition des Assists eine ganz andere, es war sehr viel schwieriger auf ein „Triple-Double“ zu kommen. Doch bei allem Lob muss ich auch klar sagen, dass die sieben Ballverluste in Berlin zu viele waren. Zwei oder drei weniger und wer weiß, was möglich gewesen wäre.“ Schmunzelnd gibt er dennoch zu Protokoll: „Aber klar, dass waren zwei ganz gute Spiele von mir.“
Im Frühjahr 2005 endete dann die Zeit von Wucherer und die des „Deutschen Konzepts“ in Leverkusen auf dem 13. Rang in der BBL-Tabelle. Mit durchschnittlich 16,0 Punkten pro Begegnung verließ der damals 32-Jährige die Farbenstadt wiederholt in Richtung Italien. Nun war es allerdings ein sportlicher Abschied für immer. Seine „zweite Zeit“ in Leverkusen sieht der Mainzer positiv: „Nach drei Jahren in Italien und einem Bänderriss, der mir die Saison 2001/02 gekostet hat, war die Entscheidung, nach Leverkusen zurückzukehren, genau die Richtige. Mit dem Konzept sind wir gegen den Strom geschwommen, damals beherrschten Importspieler die Liga und für einheimische Akteure war nur wenig Platz in der BBL. Wir haben bewiesen, dass es anders ging und haben mit zwei Playoff-Teilnahmen und der Entwicklung junger Spieler gezeigt, was mit Herz und Verstand möglich ist. Es waren drei unheimlich spannende und tolle Jahre.“
Nach seiner Zeit bei Benetton Treviso (Playoffs 2005) und in Belgien beim Spitzenklub Telindus Oostende (2005 bis 2007) beendete Denis Wucherer seine Karriere im Alter von 34 Jahren.
Tränen nach dem letzten BBL-Spiel der GIANTS
Zur Saison 2007/08 kehrte Wucherer als Kommentator für die Plattform Sportdigital zurück in die Bundesliga und erlebte so die letzte Saison der BAYER GIANTS in der BBL hautnah mit. Für den Vize-Europameister von 2005 war schnell klar, „dass Leverkusen das Potenzial für mehr hatte. Achim Kuczmann hatte eine homogene Mannschaft zusammengestellt, die Geheimfavorit auf den Titel war.“
Denis war begeistert vom offensiven Spielstil der „Giganten“: „Leverkusen hatte sich die Saison über in einen tollen Lauf gespielt und die Zuschauer schnell begeistern können. Leider sorgten dann zwei Zwischenfälle für ein vorzeitiges Aus des Traums von der 15. Meisterschaft …“
Beim fünften Spiel der Playoffserie gegen die Deutsche Bank Skyliners aus Frankfurt war Wucherer als Kommentator in der Wilhelm-Dopatka-Halle. Rückblickend sagt er: „Es war eine sehr intensive Serie, zwischen zwei gut aufspielenden Mannschaft. Ich erinnere mich, dass Pascal Roller am Ende die Initiative übernahm und für die Entscheidung zu Gunsten der Frankfurter sorgte. Damit war die Bundesligazeit in Leverkusen beendet.“ Für den zweifachen Vater kein einfacher Moment: „Otto Reintjes griff in der Dopatka-Halle das Mikro und sprach zu den Fans. Ich hatte währenddessen einen Kloß im Hals und mir liefen die Tränen über die Wangen. Das war für mich ein sehr schmerzhafter und ergreifender Augenblick.“
Der Rekordmeister in der Gegenwart
Zurück im „Hier und Jetzt“ freut sich Wucherer über die Entwicklung des Leverkusener Basketballs. Im Vorjahr war er beim „Klassentreffen“ der BAYER-Meisterteams von 1990 bis 1996 anwesend, auch mit Headcoach Hansi Gnad hat er immer wieder Kontakt. Für den Europameister von 1993 hat Würzburgs Cheftrainer nur lobende Worte übrig: „Hansi hat sich in den letzten Jahren viel Zeit genommen und sich als Coach step-by-step hochgearbeitet. Zunächst in der NBBL und an der Seite von Achim Kuczmann hat er sich toll entwickelt. All diese Erfahrungen haben ihm weitergeholfen. Mit der Meisterschaft in der ProB und der tollen Saison, bei einem relativ überschaubaren Budget in der ProA, hat er bewiesen, dass auch frühere Center gute Coaches sein können. Er hat ein gutes Gespür dafür, wie man eine Mannschaft perfekt zusammenstellt. Ich wünsche ihm und den GIANTS nur das aller, allerbeste für die Zukunft.“
Gnad, der sich über das Kompliment von seinem ehemaligen Teamkameraden sehr freut, beschreibt „Mr. Triple-Double“ wie folgt: „Die beiden Jahre, die ich mit Denis zusammengespielt habe, waren klasse. Bei Europapokalspielen haben wir uns ein Zimmer geteilt, wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Er war ein unglaublich guter Offensivspieler, der auch als Allrounder zu glänzen wusste. Es hat immer großen Spaß gemacht, mit einem so talentierten Akteur zu spielen.“ Als Trainer sieht Hansi Gnad den Ex-GIANT auf einem guten Weg: „Er hat sich an Dirk Bauermann orientiert und hat mit seinen bisherigen Vereinen sehr erfolgreich aufgespielt. Seine Teams spielen so auf, wie er früher als Spieler, nämlich sehr clever und abgezockt. Denis arbeitet akribisch, er überlässt nichts dem Zufall und ich freue mich, dass er seinen Weg in der BBL geht. Das hat er verdient.“ Otto Reintjes ergänzt: „Aus der Ferne betrachtet, finde ich, dass Wucherer einen guten Job macht. Mit relativ geringen finanziellen Mitteln hat er als Trainer in Gießen und heute Würzburg überzeugt. Er wirkt authentisch und nicht verstellt, was ich ganz wichtig finde. Denis ist mit beiden Füßen auf dem Boden geblieben!“
Der Rückblick auf die Zeit von Denis im Leverkusener Dress beweist, dass Wucherer seine Spuren in neun Jahren Farbenstadt hinterlassen hat. Wucherer ist ein wichtiger Teil der BAYER-Basketballgeschichte der 90er bzw. 00er Jahre und eines steht fest: Der 48-Jährige ist in der Ostermann-Arena stets willkommen.
Christopher Kwiotek